Geschichte des Westends

1960-1965:
 Im Westend leben über 40.000 Menschen. Dienstleistungsbetriebe und Freiberufler richten zunehmend Büros in Wohnhäusern ein. Häuser werden in großem Stil aufgekauft. Grundstückspreise und Mieten steigen stark. Das Westend wird zum City-Erweiterungsgebiet erklärt. Mehrere tausend Mieter werden von den Hauseigentümern vertrieben, viele Häuser stehen leer, werden vielfach vorsätzlich unbewohnbar gemacht oder abgerissen.

1968: Die städtischen Grundsätze der Stadtplanung im Westend werden der Öffentlichkeit vorgestellt: Der so genannte „Fingerplan“ sieht Bürohochhäuser mitten in den Wohngebieten des Westends vor.

1969: Der Widerstand der Westend-Bürger, die ihren Stadtteil als Lebensmittelpunkt erhalten wollen, formiert sich: Die Aktionsgemeinschaft Westend wird gegründet – über 700 Bürgerinnen und Bürger finden sich zum Schutz des Stadtteils zusammen. Arbeitsgruppen erarbeiten alternative Planungen für den Stadtteil. Sprechstunden, Mietergespräche und Hausbesuche finden statt. Der Zustand sämtlicher Häuser im Stadtteil wird erfasst. Die AGW setzt sich für den Schutz von Grünflachen, Bäumen und Vorgärten im Stadtteil ein.

1970:
Erstes Ergebnis des Bürgerprotests: Die Stadt erlässt eine Veränderungssperre für das Westend, um durch einen Bebauungsplan die weitere Zerstörung des Stadtteils zu verhindern. Die AGW erstellt die erste Liste denkmalschutzwürdiger Häuser im Westend und verlangt deren Schutz. Mehrere hundert Häuser im Westend stehen immer noch leer, sind völlig verwahrlost.

1972:
Erlass der Hessischen Verordnung gegen Wohnraumzweckentfremdung, die auch für Frankfurt gilt: Wo Wohnraum knapp ist, dürfen Wohnungen nicht zu Büros gemacht werden.

1973: Die AGW erhält die Medaille der Theodor-Heuss-Stiftung als Würdigung ihres Engagements in Frankfurt.

1974-1976: Das Hessisches Denkmalschutzgesetz wird verabschiedet. Die AGW fordert die Eintragung von Gründerzeithäusern in die Denkmalliste der Stadt Frankfurt. Der Bebauungsplan Nr. 320 wird verabschiedet. Damit ist die gesetzliche Grundlage gegeben, die Zerstörung von Wohnraum zum Bau von Bürohäusern zu verhindern. Die AGW setzt sich seither besonders dafür ein, dass da, wo Wohnen genehmigt ist, auch gewohnt wird. Von der Stadtregierung wird den Westendbürgern zugesagt, dass es keine weiteren Hochhäuser mehr in der Nähe von Wohngebieten im Westend geben wird.

1978-1982: Die AGW erarbeitet Alternativen zum geplanten sechsspurigen Ausbau der Bockenheimer Landstraße im Zuge des U-Bahn-Baus. Der Charakter der Straße als Allee konnte so erhalten werden.

1979-1989: Anstelle von Abriss und Neubau werden alte Bürgerhäuser im Westend zunehmend saniert. Hinter den schönen Fassaden gibt es immer mehr ungenehmigte Büros, das Wohnen wird weiter zurückgedrängt. Die AGW dokumentiert die Zweckentfremdung und fordert den Erhalt des Wohnens. Sie setzt sich für die Verkehrsberuhigung ein und fordert die Einführung eines Parkplakettensystems für die Einwohner des Westends. Die Volkszählung 1987 ergibt: Knapp 18.000 Menschen leben noch im Westend. Entgegen den Zusagen von 1976 und trotz heftiger Bürgerproteste werden weitere Hochhäuser an der Mainzer Landstraße auf Westendgebiet genehmigt. Damit wächst der Druck auf das Wohnen im Westend: Wohnraummieten und Verkehrsbelastung steigen. In der Umgebung der Hochhäuser siedeln sich weitere Betriebe illegal in Wohnungen an.

1989-1994: Die Westend-Erhaltungssatzung wird erlassen. Sie schützt nicht nur die städtebauliche Eigenart des Westends sondern auch die Zusammensetzung seiner Wohnbevölkerung. Eine flächendeckende Untersuchung der AGW im Westend ergibt: Mehr als zweitausend Wohnungen allein in unserem Stadtteil werden illegal als Büros genutzt – und das bei ca. zwanzigtausend beim Amt für Wohnungswesen registrierten Wohnungssuchenden. Die Stadt beginnt damit, Wohnraumzweckentfremdung im Westend im größeren Umfang zu verfolgen und zu verhindern. Dennoch kommen immer wieder neue Zweckentfremdungsfälle vor. Auch Grünflächen, Bäume und Vorgärten sind häufig von Zerstörung bedroht und werden zu Parkflächen.

seit 2000: Der Veränderungsdruck auf das Westend verstärkt sich. Die Aufgabe der Universität rund um die Bockenheimer Warte und ihr Umzug auf das IG-Farben-Gelände werden beschlossen. An der Palmengartenstraße müssen Mehrfamilienhäuser dem Erweiterungsbau der Kreditanstalt für Wiederaufbau weichen. Am Opernplatz darf das denkmalgeschützte „Zürich-Hochhaus“ von 1962 abgerissen werden, um einem 160 m hohen Turm Platz zu machen. Das denkmalgeschützte Hochtief-Verwaltungsgebäude des Architekten Egon Eiermann in der Bockenheimer Landstraße 24-26 wird abgerissen, damit ein rd. 100 m hoher Bau errichtet werden kann. Die Hessische Landesregierung hebt die Wohnraum-Zweckentfremdungs-Verordnung von 1972 auf. Das I.G.-Farben-Gelände wird zum Campus Westend der Frankfurter Universität ausgebaut. Der alte Universitäts-Campus an der Bockenheimer Warte soll zum Kulturcampus Frankfurt werden.

Wir setzen uns dafür ein, dass Wohnen und Leben im Frankfurter Westend, aber auch in anderen innenstadtnahen Stadtteilen, möglich und attraktiv bleibt