Hintergrundinformationen zur Pressemitteilung „Keine Wohnbebauung im Grüneburgpark !“

Zu den Planungsabsichten rund um den ehemaligen Biologischen Campus der Universität am Grüneburgpark

Die Geschichte des Erwerbs des Grüneburgparks durch die Stadt Frankfurt in den 1920er und 30er Jahren zeigt ganz klar, dass die Stadt mit ihrer Absicht, im bzw. am Grüneburgpark Wohnungen zu errichten, eklatant gegen ihre seinerzeit gemachten Zusagen verstoßen würde. Die AGW kritisiert die Pläne nachdrücklich (siehe Presseerklärung vom 29.11.2016). AGW-Mitglied Rudolf Dederer hat die Erwerbsgeschichte recherchiert.

I. In gleichlautenden Presseerklärungen ist am 17. Juni 2016 in Frankfurt und in Wiesbaden über eine „Absichtserklärung“ von Stadt und Land „zur gemeinsamen baulichen Entwicklung des Areals am Palmengarten“ berichtet worden. Unterzeichner der „Absichtserklärung“ waren die Hessische Finanzstaatssekretärin Bernadette Weyland (CDU, Frankfurter Stadtverordnetenvorsteherin von 2011 – 2014) und der bis Mitte Juli 2016 amtierende Frankfurter Planungsdezernent und Bürgermeister Olaf Cunitz (GRÜNE). Die Frankfurter Tagespresse hat darüber berichtet (FR und FNP am 18.06.2016 unter der Überschrift „Wohnen am Palmengarten“, die FAZ am 21.06.2016 unter der Überschrift „Biologisches nstitut wird zur Grundschule“).

II. Die Eckpunkte der „Absichtserklärung“ sind:

  1. Das zu entwickelnde Areal in einer Größe von rd. 2 ha (19.200 qm lt. FNP) liegt südlich des Botanischen Gartens zwischen
    Palmengarten und Grüneburgpark und umfasst
    a) die leer stehenden Kramerbauten des ehemaligen Biologischen und des Zoologischen Instituts der Universität (welche Flächen des ehemaligen Biologie Campus insgesamt dazu zählen, ist der Presse nicht zu entnehmen, das Campus-Grundstück und der Botanische Garten gehen ohne sichtbare Grenze in einander über),
    b) den Verkehrsübungsgarten und
    c) das Kinderzentrum (Kita) Siesmayerstr. 66.
  2.  Auf dem alten Universitätsgelände sollen ein Studentenwohnheim (rd. 90 Plätze lt. amtl. Presseerklärung, rd. 100 Plätze lt. FAZ ), eine Kita und eine „Schule nebst Erweiterungsfläche“ (amtl. Presseerklärung) untergebracht werden. Bei der Schule handelt es sich um die Engelbert-Humperdinck-Schule am Bremer Platz, deren Standort auch nach einem Umzug an den Botanischen Garten aber weiter schulisch genutzt werden soll (FAZ).
  3.  Der Verkehrsübungsgarten und das Kinderzentrum (Kita) Siesmayerstr. 66 sollen weichen, die frei werdenden Flächen sollen als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen und mit 130 Wohnungen – davon 30% geförderte Mietwohnungen – in bis zu
    7 Stockwerken (FR und FNP) bebaut werden.
  4. . Der Denkmalschutz der 1954/55 errichteten Kramerbauten soll gewahrt bleiben.
  5.  Das notwendige Planungsrecht, d.h. der Bebauungsplan, soll Ende 2019 fertig sein.
  6.  Die Grundstücke für den Wohnungsbau einschl. der Studentenwohnungen sollen an private Investoren verkauft und von diesen bis 2021 bebaut werden (FAZ und FR)
  7. Rein rechtlich betrachtet ist die Absichtserklärung unverbindlich (FAZ).

III. Zum Charakter des Entwicklungsgebiets: Die in der „Absichtserklärung“ genannten Flächen liegen ausnahmslos innerhalb des als Kulturdenkmal in der Frankfurter Denkmaltopografie gekennzeichneten zusammenhängenden Gebiets von Palmengarten, Botanischem Garten und Grüneburgpark (vgl. Denkmaltopografie, hrsg. von Heinz Schomann, Volker Rödel, Heike Kaiser, 1994, Seiten 316 und 317). Die Denkmaltopografie ist offizielles Denkmalbuch i.S. von § 9 Hess. Denkmalschutzgesetz.

Sowohl die ehemaligen Universitätsinstitute als auch Verkehrsübungsgarten und Kinderzentrum (Kita) sind formal Teil des Grüneburgparks. Während die beiden letzteren sich deshalb auch im Eigentum der Stadt befinden – wie der Park insgesamt -, ist Eigentümerin der ehemaligen Universitätsinstitute das Land Hessen (Eigentumsübertragung 1967, als die Goethe-Universität Landesuniversität wurde ?).

Wenn Mark Gellert, seinerzeitiger Sprecher von Olav Cunitz, bei Publikation der „Absichtserklärung“ erklärt hat, die Flächen des Grüneburgparks und des Botanischen Gartens würden nicht bebaut, dies sei lediglich für den Verkehrsübungsgarten geplant, der streng genommen zum Parkgelände zähle, aber ohnehin bereits versiegelt sei (FR), so unterschlägt er, dass „streng genommen“ das gesamte Entwicklungsgebiet einschließlich sogar des Botanischen Gartens „zum Parkgebiet zählt“. Das ergibt sich aus der Geschichte des Erwerbs des Grüneburgparks durch die Stadt in den 1920er und 30er-Jahren.

IV. Historie
Der Grüneburgpark in seiner heutigen Gestalt war bis in die 20er- und 30iger-Jahre des 20. Jahrhunderts Eigentum der Familie Rothschild. Ein großes Areal im Westen und Süden des heutigen Parkgeländes (sogen. „Westgelände“, begrenzt im Westen durch Miquelallee und nördliche Siesmayerstraße, im Süden vom Grüneburgweg und im Osten durch die August-Siebert-Straße) hat 1927 die I.G. Farbenindustrie von der Familie Rothschild erworben. Im westlichen Randbereich dieses Areals liegen die in der „Absichtserklärung“ umrissenen Grundstücke.

Die Stadt Frankfurt hat damals bereits ebenfalls Interesse an diesem Areal bekundet, um „ein für städtische Kulturzwecke geeignetes Gelände in Anlehnung an den Palmengarten zu erhalten.“ (Bericht an den Magistrat vom 19.07.1927). Zu diesem Zweck hat sich die Stadt in einem Vertrag mit der I.G.-Farbenindustrie vom 13.09.1927 eine Option auf dieses Gelände einräumen lassen (im Gegenzug gegen Überlassung des Geländes der Städtischen Psychiatrischen Klinik auf dem Affenstein, heute Teil des Campus Westend entlang der Hansa- Allee). In § 3 des Vertrags vom 13.09.1927 heißt es: „Die Stadtgemeinde darf dieses Kaufrecht nur ausüben, wenn sie gleichzeitig für sich und ihre Rechtsnachfolger die Verpflichtung übernimmt, das Gelände ausschließlich zu kulturellen Zwecken zu verwenden, die dem gemeinen Wohle dienen, wie z.B. die Anlage eines botanischen Gartens, von Museen, Universitätsbauten, Theater und Konzertsälen u. dgl. Krankenhausbauten, Wohnhäuser, Kinos u.dgl.  gelten nicht als kulturellen Zwecken dienende Bauten im Sinne dieser Vereinbarung.

Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre konnte die Stadt Frankfurt die Option aus finanziellen Gründen nicht ausüben. Erst 1935 fand die Stadt einen Weg, im Rahmen von Grundstücks-Umlegungs-Verträgen das sogen. „Westgelände“ von der I.G. Farbenindustrie zu erwerben. Auch der als Landschaftsgarten u.a. von Heinrich Siesmayer gestaltete innere Park nördlich der heutigen großen Südwiese ist damals in städtischen Besitz gelangt.

In einem am 14.06.1935 beurkundeten Zusatzvertrag zwischen der Stadt Frankfurt und der I.G. Farbenindustrie über die Umlegung des Grüneburggeländes heißt es in § VI: „Die Stadtgemeinde verpflichtet sich, die ihr nach dem eingangs erwähnten Umlegungsvertrag zugewiesene Fläche zwischen Miquel-Straße, Grüneburgweg und Grüneburgpark (aus dem sog. Westgelände) nur für gartenkulturelle Zwecke zu verwenden, die dem gemeinen Wohl dienen (beispielsweise Erweiterung des Palmengartens und des Botanischen Gartens) und Bauten auf dieser Fläche nur insoweit zu errichten, als sie für oben erwähnten Zweck erforderlich werden. Sie wird diese Verpflichtung auch etwaigen Rechtsnachfolgern im Eigentum auferlegen und bleibt neben diesen für die Innehaltung der Verpflichtung haftbar.“

Die Stadt hatte seinerzeit die Absicht, auf dem neuerworbenen sogen. „Westgelände“ ein „Reichsarboretum“ anzulegen, eine deutschlandweite Baumschau, vergleichbar einer Bundesgartenschau. Dazu kam es wegen des Weltkrieges nicht mehr.

Die Stadt Frankfurt hat sich damals und seither im wesentlichen an die 1927 und 1935 vertraglich gegebene Zusage einer Verwendung des „Westgeländes“ („ausschließlich für kulturelle Zwecke“ / „nur für gartenkulturelle Zwecke“) gehalten: Es wurden der (3.) Botanische Garten, naturwissenschaftliche Universitätsinstitute und Schulungsund Betreuungseinrichtungen für Kinder errichtet sowie die Südwiese dem öffentlichen Park zugeschlagen.

V. Baurechtlicher Aspekt Das anstelle des Verkehrsübungsgartens und der Kita geplante Baugebiet soll baurechtlich als „allgemeines Wohngebiet“ (WA) ausgewiesen werden. Das bedeutet nach § 4 Baunutzungsverordnung, dass an dieser Stelle „vorwiegend Wohnen“ ermöglicht werden soll. Es bedeutet aber auch, dass außer Wohnungen generell auch Läden, die der Versorgung des Gebiets dienen und Restaurants zulässig sind. Ausnahmsweise können u.a. sogar Hotels zugelassen werden. Mit der Qualifizierung der für die Wohnbebauung vorgesehenen Grundstücke als WA-Gebiet könnten folglich Läden und Restaurants zwischen Palmengarten und Grüneburgpark entstehen und die Stadt hätte sich sogar eine Genehmigungsmöglichkeit für einen Hotelbau bzw. eine Hotelnutzung geschaffen! Es ist daran zu erinnern, dass in der Vergangenheit die Planung eines Hotelneubaus zwischen Palmengarten und Grüneburgpark auf heftige Ablehnung in der Bevölkerung gestoßen ist.

(R. D., 12.10.2016)

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