Offener Brief zur Wohnungssituation im Westend

An die Landtagsfraktionen von CDU, SPD, Grünen, Die Linke, und FDP im Hessischen Landtag , Stadtverordnetenfraktionen Im Römer von CDU, SPD, Grüne, Die Linke, FDP, Freie Wähler, Elf Piraten, Ökolinx, Fraktionen von Grünen, CDU, SPD, Die Linke, FDP und Freie Wähler im Ortsbeirat 2, Lokalredaktionen der Frankfurter Rundschau, Frankfurter Neue Presse, Frankfurter Allgemeine ZeitungBetreff: Maßnahmen zum Erhalt des Wohnens im Frankfurter Westend

Sehr geehrter Herr Feldmann, sehr geehrter Herr Cunitz,
sehr geehrte Damen und Herren,
Die Aktionsgemeinschaft Westend (AGW) befürwortet den Vorstoß von Herrn Planungsdezernenten Cunitz, sich beim Land Hessen für folgende Ziele einzusetzen:

  •  Wiedereinführung der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung bzw. Erlass eines entsprechenden Gesetzes (Beispiel Bayern)
  •  Einführung einer Umwandlungsverordnung zur Beschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
  •  Verlängerung der Schutzfrist für die Mieter bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen von 5 auf 10 Jahre
  •  Reduzierung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen von 20 % auf 15 % in 3 Jahren.

Die AGW fordert die Fraktionen des Hessischen Landtags und die neue Landesregierung auf, kurzfristig diese insbesondere für die Bevölkerung des Westends dringend notwendigen rechtlichen Regelungen zu beschließen.

Vorbildhaft hat das Land Baden Württemberg im Juli dieses Jahres ein wohnungspolitisches Maßnahmenpaket mit einer Wohnraumzweckentfremdungsverordung und einer Umwandlungsverordnung beschlossen.

Allein durch die Umsetzung solcher Maßnahmen hätten aktuelle Fälle wie die Umwandlung der Mietwohnungen in der Bockenheimer Landstraße 77-81 zwischen Arndstraße und Mendelssohnstraße in Luxus-Eigentumswohnungen sowie der jahrelange Leerstand der Leerbachstraße 92 und der Palmengartenstraße 8 verhindert werden können. Deren Absicht sind Abriss und Neubau, um aus normalen Wohnungen zukünftig Luxuswohnungen zu machen.

Angesichts der fortschreitenden Vertreibung der angestammten Bevölkerung des Westends durch Mietsteigerungen, Luxussanierungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen (Gentrifizierung) reichen diese Maßnahmen jedoch nicht aus.

Wir benötigen für die Erhaltungssatzungen Westend 1 und Westend 2 zusätzlich Soziale Erhaltungssatzungen
zum Schutz der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB („Milieuschutz“), wie sie Hamburg und München schon seit 25 Jahren eingeführt haben.

So steht der Stadt München unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht zu. Um dessen Ausübung abzuwenden, verpflichtet sich die Käuferseite häufig durch sogenannte „Abwendungserklärungen“, die Umwandlung in Eigentumswohnungen sowie unangemessene Modernisierungsmaßnahmen zu unterlassen. Insgesamt hat die Stadt München so in den letzten 20 Jahren ca. 430 Immobilien mit 6.000 Mietwohnungen und mit ca. 400.000 m² Wohnfläche vor Umwandlung und Luxussanierung geschützt.

Aus dieser Erfahrung und um das Westend vor weiterer Gentrifizierung zu schützen, fordert die Aktionsgemeinschaft Westend den Magistrat auf, ein wohnungspolitisches Maßnahmenpaket zum Schutz der Bevölkerung des Westends zu schnüren!

Dieses Maßnahmenpaket soll folgende Punkte umfassen:

  •  Eine Soziale Erhaltungssatzung nach dem Münchner Modell mit der Einführung einer Wohnraumzweckentfremdungsverordnung oder eines entsprechenden Gesetzes durch das Land Hessen, die folgende Punkte unter Verbotsvorbehalt stellen:
    1.  die Nutzung oder Überlassung von Wohnraum überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke,
    2.  eine bauliche Veränderung oder Nutzung von Wohnraum, so dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
    3.  eine nicht nur vorübergehende gewerbliche oder gewerblich veranlasste Nutzung von Wohnraum für Zwecke der Fremdenbeherbergung,
    4.  Leerstand von Wohnraum länger als drei Monate oder
    5.  Beseitigung von Wohnraum.
  •  Eine Umwandlungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB („Milieuschutz“) wie in Baden Württemberg, die die Möglichkeit des Verbots der Umwandlung von Miet- in
    Eigentumswohnungen unter bestimmten Voraussetzungen zulässt.
  •  Die Gründung einer Institution zur Inanspruchnahme des kommunalen Vorkaufsrechts bei angekündigter Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder unangemessenen
  • Luxusmodernisierungen, bzw. des gemeindlichen Vorkaufsrechtes in Erhaltungssatzungsgebieten gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in Verbindung mit § 172 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 (Milieuschutz). Dieses Vorkaufsrecht hätte die Stadt Frankfurt auch schon längst ohne Landesverordnung wahrnehmen können.

Um zukünftig zu verhindern, dass in Gebieten mit Milieuschutz (Sozialer Erhaltungssatzung), Mieter wie jetzt in der Wöhlerstraße 22 geschehen, „aufgrund der besseren wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks“ aus ihrer Wohnung vertrieben werden, und um sie zukünftig besser vor der Vertreibung schützen zu können, sind in Gebieten mit Sozialer
Erhaltungssatzung folgende Maßnahmen zu treffen:

  •  In Gebieten mit Sozialer Erhaltungssatzung sind die gültigen Bebauungspläne dahingehend zu überprüfen, ob sie eine höhere Ausnutzung als die vorhandenen, zu erhaltenden Gebäude zulassen um sie dann an die aktuell bestehende Ausnutzung anzupassen.
  • In Gebieten mit Sozialer Erhaltungssatzung soll die Stadt, wie in Sanierungsgebieten, Beratungsbüros für Mieter einrichten. Mit diesem Beratungsangebot kann die Stadt rechtzeitig den Milieuschutz verwirklichen und hat die Möglichkeit, das ihr zustehende Vorkaufsrecht oder eine Abwendungserklärung durchzusetzen und dadurch Zwangsräumungen wie am 10. dieses Monats in der Wöhlerstr. 22 zu verhindern.
  • Als weitere Maßnahmen sollte, wie oben bereits erwähnt, durch Landesrecht die Schutzfrist der Mieter vor  Eigenbedarfskündigungen bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen von 5 auf 10 Jahre erhöht werden und die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen von 20 % auf 15 % in 3 Jahren gesenkt werden.
  •  Die Lagenzuschläge für die Innenstadtlagen 1 und 2 im Frankfurter Mietspiegel sollen wieder abgeschafft werden.
  •  Weiterhin halten wir es für notwendig, ein Programm aufzustellen, um leerstehende oder überwiegend leerstehende Bürogebäude wie das ehemalige Polizeipräsidium oder die
    Frankfurter Welle in Wohngebäude umzuwandeln. In diesem Zusammenhang betrachten wir die Entscheidungen zum Bosch Areal am Güterplatz und zum Gelände in der Kuhwaldstraße
    in der City West als einen ersten guten Schritt.

Für die Aktionsgemeinschaft Westend
Hans-Jürgen Hammelmann
Vorsitzender

Anlage:
Information zum Münchener Modell und 25 Jahren Erhaltungssatzungen in München

Für weitere Nachfragen steht Herr Hammelmann unter der Telefonnummer: 0179 29 16 790 oder unter der E-Mail Adresse  h.-j.hammelmann@web.de gerne zur Verfügung

Der offene Bief als PDF zum Download:
2013-12-15_PR_Offener-Brief-zur-Wohnungssituation-im-Westend_AGW