Offener Brief zur Milieuschutzsatzung im Westend

Angesichts der drohenden Aufhebung der Milieuschutzsatzung für das Westend fordert die AGW ein transparentes Verfahren und eine öffentliche Debatte der
Kriterien und Ziele des Milieuschutzes in diesem Frankfurter Stadtteil. Es kann nicht sein, dass ein derart wichtiges Instrument für die Entwicklung der Innenstadtviertel
der Entscheidung von ‚Gutachtern’ unter Ausschluss der Öffentlichkeit überlassen bleibt, während für jeden noch so kleinen Bebauungsplan ein transparentes
Verfahren unter öffentlicher Beteiligung stattfindet.
Es käme einem beispiellosen Skandal gleich, wenn trotz langjährig geltendem Milieuschutz das Westend aufgrund mangelndem und halbherzigem Vollzug seitens
der Stadt nunmehr soweit gentrifiziert wäre, dass es nicht mehr als schützenswert gelten sollte. Tatsächlich verfügt das Westend nach wie vor über einen
schützenswerten Bestand an Mietwohnungen einfachen Standards, sowohl in Gründerzeit- wie Nachkriegsgebäuden.
Die Gentrifizierungsspirale ist ein spezifisches Phänomen des Westends, dem in der Satzung zeitgemäß Rechnung getragen werden muss. Denn heute sind selbst Mieter
von modernisierten Wohnungen mit gehobenem Standard von Verdrängung bedroht, zumal die Landespolitik wichtige Instrumente des Mieterschutzes (Zweckentfremdungsverbot, Umwandlungsvorbehalt usw.) verweigert. Auch die von der Stadt Frankfurt am Main zum 1. Januar 2019 eingerichtete “Stabsstelle Mieterschutz” hilft nicht weiter, denn mangels wirksamer Bestandsschutzinstrumente stellt sie nur eine zahnlose Moderationseinrichtung dar.
Dass im Zuge der verstärkten Umwandlung des Westends seit etwa 2005 Zonen hochpreisiger Eigentumswohnungen auf konvertierten Bürogrundstücken entstanden sind, kann nun nicht als allgemeingültiges Kriterium für den Strukturwandel im Quartier herangezogen werden. Vielmehr wären diese Luxusinseln aus der räumlichen Festlegung der Milieuschutzsatzung genauso auszugrenzen wie die verbleibenden Bürostandorte. Ausländische Kapitalanleger und Off-Shore-Investoren brauchen keinen Milieuschutz. Ein kleinräumiger Gebietszuschnitt ist in anderen Städten durchaus üblich.
Schließlich bedarf die gegenwärtige administrative Praxis beim Vollzug der Satzung, mit unklarer und über mehrere Dezernate aufgesplitteter Zuständigkeit und
ineffizienten Verfahren einer grundlegenden politischen Revision.
Die AGW fordert daher ein Moratorium zum Thema Milieuschutzsatzung, um die Zeit für einen neuen Ansatz zu gewinnen, welcher der demokratischen Verfassung
unseres Gemeinwesens entsprechend offen und transparent ist, dem ein empirisch abgesicherter Kriterienkatalog zugrunde liegt und dessen Entscheidungsprozesse
unter Beteiligung der Stadtteilinitiativen und der interessierten Öffentlichkeit erfolgen.

Aktionsgemeinschaft Westend
Der Vorstand

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